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„Schizophrenie ist ein Kampf um Integration, der scheitert, weil die Kraft fehlt, die eigene Wahrheit in einer feindlichen Umwelt zu leben.“
"Ich fürchte, unsere Kultur engt uns von Anfang an ein und treibt uns weg von dem, was wir sein könnten."
Wo Hilflosigkeits- und Ohnmachtserfahrungen ebenso forciert wie verleugnet werden müssen, da trete das Prinzip der Macht an die Stelle. Das letztlich jedoch unzerstörbare Autonomiebedürfnis des Menschen gehe, wo es sich nicht als verfehlte Anpassung in destruktiven Formen gegen die Außenwelt richte, in den Untergrund ( zur Selbstzerstörung)
Das 1987 veröffentlichte Werk Der Wahnsinn der Normalität (Realismus als Krankheit) führt den Gedanken fort. Gruen fragt nach den Einflüssen, die im Sinne seines Autonomieverständnisses zu Isolation, Selbstentfremdung und einer zerstörerischen Geisteshaltung führen, die gleichzeitig als sogenannte „Normalität“ gehandelt wird.
„Gehorsam meint, dass man das eigene Selbst nicht wirklich entwickeln kann“, lautet seine Grundthese, und: „dass man keine wirkliche Verantwortung für sich selbst entwickelt.“
„Vielleicht sollten wir den Unterschied zwischen Identität und Identifikation deutlich machen, indem wir erkennen, dass Identifikation nicht die Basis für eine eigene Identität bildet. Dass Identifikation und Identität einen Widerspruch in sich bergen, weil Identifikation eben nicht zur Entwicklung einer autonomen, originären Identität führt“.
Der gängige, kriegerische Begriff von Autonomie beruhe auf einer auf Abstraktionen aufgebauten Idee des Selbst, das, um die eigene Wichtigkeit und Unabhängigkeit zu behaupten, seine Gefühle abspaltet und dessen vermeintliche Freiheit sich in dem Zwang erschöpfe, sich und anderen ständig Beweise der Stärke und Überlegenheit liefern (zu) müssen. Gelingende Autonomie sei dementgegen derjenige Zustand, in dem ein Mensch in voller Übereinstimmung mit seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen ist.
"Der Fremde in uns" erschien ebenfalls 2002. Gruen beschreibt darin, wie Abweisungen/Zurückweisungen durch die Eltern in der frühen Kindheit zu einer nur schwach ausgebildeten Identität führen können. Die dadurch entstehende innere Leere wird oft durch die Neigung kompensiert, starken Personen oder Ideologien zu folgen, oder auch durch ein einfaches, polarisierendes Weltbild, das einen Feind als Ursache aller (oder zumindest der wichtigsten) Probleme benennt.
Dem Leben entfremdet erschien 2013. „Dieses Buch spiegelt die Entwicklung meines Denkens, das mit dem Verrat am Selbst begann“. Gruen stellt fest: „Wie in Shakespeares Hamlet vollzieht unsere Kultur ein Nichtsein, das auf abstraktem Denken beruht und unser grundlegendes empathisches Bewusstsein verneint und verleugnet. Es geht darum, dieses wieder zum Herzstück unseres Seins zu machen“.
Arno Gruen
26. Mai 1923 – 20. Oktober 2015
Arno Gruen war ein deutsch-schweizerischer Schriftsteller, Psychologe und Psychoanalytiker. Nach der Flucht aus Nazideutschland 1936 verbrachte er über 40 Jahre in den USA, wo er studierte und eine akademische Laufbahn einschlug.
Gruen studierte Psychologie in New York, eröffnete 1958 eine psychoanalytische Praxis und promovierte 1961 bei Theodor Reik. Danach übte er in den USA verschiedene Berufe aus, zuletzt war er als Professor der Psychologie an der Rutgers University in New Jersey tätig, bis er 1979 nach Europa zurückkehrte und fortan in seiner Wahlheimat Zürich lebte.