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ROAD TO RECOVERY - Therapien und Heilmethoden bei Psychosen, Schizophrenie und Depression:
I. Die körperliche Ebene:
1. Arbeit und Beschäftigung
2. Sport
3. Ernährung und Nahrungsergänzung
4. Naturheilkunde
5. Orthomolekulare Medizin
6. Konventionelle Medizin
1. SPORT: Die Auswirkung auf positive, negative, kognitive und depressive Symptome.
Es gibt kaum eine Einzelmaßnahme, mit so deutlichen Verbesserungen der körperlichen und psychischen Verfassung wie Sport. Insbesondere Ausdauersport kombiniert mit Krafttraining senkt nicht nur negative und depressive Symptome mit einer mittleren bis hohen Effektstärke, sondern auch positive und kognitive Symptome. (7) (8)
Körper-Geist-Methoden wie Yoga, Tai-Chi und Qi Gong schneiden in der Regel mit kleinen Besserung für positive Symptome und mittlerer Effektstärke für negative Symptome auch gut ab. (6) Eine Chinesische Studie für Tai-Chi hatte sogar große Effektstärken bei negativen Symptomen gemessen. (5)
„Sport ist eine hochwirksame Methode bei der Behandlung von Depressionen, kognitiven Einbußen oder Schizophrenie. Studien belegen, dass sportliche Betätigung so wirksam ist wie eine medikamentöse Therapie oder eine psychotherapeutische Intervention. Denn Sport verbessert die Symptome und aktiviert die Gehirnleistungen – genau wie beim gesunden Menschen. Damit beeinflusst er das allgemeine Lebensgefühl positiv. Vor allem wirkt körperliche Betätigung auf das Selbstbild des Menschen, stärkt Selbstbewusstsein und Körperwahrnehmung. Gerade Menschen mit Depressionen können dabei die Erfahrung machen, selbstwirksam zu handeln, die eigene Erkrankung wirksam selbst zu behandeln und das Rückfallrisiko zu senken. “ sagt Prof. Dr. med. Joachim Cordes, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Florence-Nightingale-Krankenhaus. (1)
In seiner Klinik legt Prof. Cordes großen Wert auf das das Sportangebot und möchte es weiter ausbauen. Neben Ausdauersport, wird die Tanztherapie angeboten, die pferdegestützte Therapie und im Sommer ein Aquafitness-Training. „Sehr großen Zuspruch findet auch das Kickboxen. Selbst 80-Jährige haben großen Spaß daran. Es tut ihnen gut, die innere Anspannung loszulassen“, erzählt Prof. Cordes. (1)
2. Welche Sportart ist die Beste?
Körperliche Aktivität verbessere, so Dr. Isabel Kathrin Maurus, Psychiaterin, Universitätsklinikum München, bei Schizophrenie nachweislich die Lebensqualität und reduziere Positiv- und Negativsymptome sowie kognitive Defizite. Die größten Effekte hätten Erkrankte gezeigt, die ihre körperliche Ausdauer in Kombination mit Kraftsport verbesserten. Laut einer Metaanalyse randomisiert kontrollierter Studien ging Ausdauertraining mit einem signifikanten Rückgang des PANSS-Gesamtscores und der Negativ- und Positivsymptome einher.
Positive Symptome:
Leichte Besserung bei Kraftsport (8) oder bei einer Kombination Kraft- mit Ausdauersport (7)
Negative Symptome:
Leichte Besserung bei Yoga, mittlere Effektgrößen bei Ausdauersport und große bei einer Kombination von Kraft- und Ausdauersport (7)
Depressionen:
Große Effektstärken bei einer Kombination von Kraft- und Ausdauersport (8)
Ängste:
Mittlere Effektgröße bei Kraftsport (8)
Tai Chi und negative Symptome
Darüber hinaus zeigten auch einige chinesische Studien, die die Wirkung von Tai-Chi-Übungen bei Patienten mit Schizophrenie bestätigten, eine große Effektstärke bei negativen Symptomen. Dies ist das Ergebnis der Einbeziehung aller Tai-Chi-Studien zu sein. Geist-Körper-Übungen wie Yoga und Tai Chi verbessern das Langzeitgedächtnis sowie das körperliche, emotionale und spirituelle Gleichgewicht.
„Sport besteht darin, dem Körper einige der stärksten Tugenden der Seele zu übertragen: Energie, Wagemut, Geduld. Es ist das Gegenteil der Krankheit“
– Jean Giraudoux (Diplomat, Schiftsteller und aktiver Sportler)
3. Gesundheitliche Situation bei Schizophrenie-Patienten
Schizophrenie ist mit positiven Symptomen während eines psychotischen Schubs verbunden und negative Symptome können in jedem Stadium der Schizophrenie auftreten. Die Häufigkeit depressiver Störungen bei Schizophrenie liegt bei etwa 40 %. Depressive Symptome können mit den klinischen Symptomen der Schizophrenie, insbesondere den Negativsymptomen, interagieren.
Bei Schizophrenie kann es zu einer Gewichtszunahme kommen. Dies kann auf eine ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel oder Nebenwirkungen von Antipsychotika zurückzuführen sein. Die Behandlung mit Medikamenten führt zu Gewichtszunahme und metabolischem Syndrom (Diabetes, Herz-Kreislauf, Schlaganfall). Die Häufigkeit für das metabolische Syndrom bei Patienten mit Schizophrenie liegen bei 33% , für Diabetes bei 12% und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen 12%.
Einige Medikamente können müde machen. Daher leiden Menschen mit Schizophrenie mehrheitlich nicht nur unter psychischen Problemen sondern haben, insbesondere aufgrund von Psychopharmaka auch körperliche Gesundheitsprobleme, die sich auf Ihre Lebenserwartung auswirken können.
Dadurch kann es schwieriger werden, Sport zu treiben. Aber auch ohne Antipsychotika haben Experten herausgefunden, dass es bei Schizophrenie wahrscheinlicher ist, dass sie sich nicht ausreichend körperlich betätigen. Eine geringere körperliche Aktivität wurde mit stärkeren negativen Symptomen in Verbindung gebracht, und eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit mit schwereren negativen und depressiven Symptomen.
Aus diesem Grund untersuchen Experten weiterhin Behandlungs- und Lebensstiloptionen, die ihren allgemeines Wohlbefinden verbessern können.
„Der Widerstand, dem Sie im Fitnessstudio gegenüberstehen, und der Widerstand, dem Sie im Leben gegenüberstehen, können Sie nur stärker machen“ – Arnold Schwarzenegger
4. Wirkungsweise von Sport auf das Gehirn und die Psyche
Da körperliche Aktivitäten auf biologischen, sozialen oder psychologischen Faktoren beruhen, können sie Symptome im Zusammenhang mit Schizophrenie beeinflussen.
Die neurobiologischen Auswirkungen von Bewegung auf das Zentralnervensystem sind vielfältig.
- Der Level des Stresshormons Cortisol wird durch regelmäßigen Sport gesenkt und erhöht die allgemeine Toleranz für Stress.
- Während der sportlichen Aktivität schüttet der Körper unterschiedlichste Hormone aus, vom Glückshormon Serotonin über bis hin zu Endorphinen.
- Adrenalin wird während des Sports ausgeschüttet und sorgt dafür, dass sich der Körper an die Belastung gewöhnt.
- Forscher konnten nachweisen, dass intensive, regelmäßige sportliche Betätigung zu einem Anstieg von entzündungshemmenden Immunzellen, den so genannten regulatorischen T-Zellen führt.
(Entzündungen des ZNS sind Ursachen für Psychosen, Schizophrenie und Depression)
Sport verbessert das Potenzial des Gehirns, sich strukturell zu verändern, zum Beispiel in Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Sport erhöht das Blutvolumen und die Wachstumsfaktoren für neue Nervenzellen. Ausdauersport kann Überlebensfaktoren für Nervenzellen im Gehirn (Neurotropher Faktor) bei Patienten mit Schizophrenie erhöhen und die kognitiven Fähigkeiten verbessern.
Neben den positiven Auswirkungen auf psychotische Symptome verbesserte körperliche Aktivität auch die Fähigkeit der Atmung und des Blutkreislaufs, den Körper mit Sauerstoff zu versorgen (kardiorespiratorische Fitness), die Kognition und die Lebensqualität von Menschen mit Schizophrenie.
Darüber hinaus kann körperliche Aktivität hilfreich sein, um die mit dem metabolischen Syndrom verbundenen Nebenwirkungen von Antipsychotika zu lindern.
5. Studien
In einer aktuellen Meta- Studie von 2023 wurden RCTs einbezogen, die sich auf die positiven, negativen und depressiven Symptome von Schizophrenie konzentrierten. Es wurden 15 Studien mit insgesamt 1642 Teilnehmern in der systematischen Überprüfung ausgewählt.
Diese Studie umfasste Ausdauersport, wie Walking, Jogging, Schwimmen und Radfahren sowie Mehrkomponentenübungen mit Ausdauer- und Krafttraining sowie Körper-Geist Übungen wie Yoga und Tai Chi. Die Trainingsdauer betrug 8 - 20 Wochen. Die Trainingseinheiten pro Woche umfassten 1-4 Sitzungen pro Woche.
Positive Symptome
Die Studie zeigte, einen mittleren Effekt bei Kraftsport (8) oder bei einer Kombination von Kraft- und Ausdauersport. (7)
Andere Studien haben herausgefunden, dass körperliche Betätigung akustische Halluzinationen oder das Hören von Stimmen verringern kann.
Negative Symptome
Eine Untergruppenanalyse ergab die Auswirkung negativer Symptome nach Übungsart mit leichte Besserung bei Yoga, mittlere Effektgrößen bei Ausdauersport und große bei einer Kombination von Kraft- und Ausdauersport. (7)
Kognitive Symptome
Sport verbessert die Durchblutung des Gehirns. Dies wirkt sich positiv auf die Gedächtnisleistung aus. In einer Vielzahl von Studien konnten Verbesserungen der kognitiven Leistungsfähigkeit durch ein sportliches Training aufgezeigt werden.
Trainigsdauer
Die analysierten Studien umfassten eine Trainingszeit von mindestens 30 Minuten pro Tag und reichten von ein bis sieben Mal pro Woche. Für die mittleren Effekte betrug die Trainingsdauer 12 - 20 Wochen oder länger. Zwölf oder weniger Sitzungen führten zu keiner signifikanten Verbesserung der negativen Symptome.
Depressionen
In einer Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien zu Trainingsinterventionen bei Menschen mit Depressionen haben Schuch et al. herausgefunden, dass Bewegung im Vergleich zu Kontrollpersonen einen großen und signifikanten Effekt auf die Reduzierung depressiver Symptome hatte. (9)
Die größten Effekte wurden bei Interventionen bei Patienten mit schwerer depressiver Störung beobachtet, bei denen Ausdauersport mittlerer Intensität zum Einsatz kam und überwachte Trainingsbehandlung beinhaltete.
Sport vs. Antidepressiva
Auch die Wirksamkeit von Bewegung im Vergleich zu Antidepressiva wurde untersucht. Blumenthal et al. ordnete 156 Personen mit Depressionen zufällig einer Übungs-, Medikamenten- oder Übungs-plus-Medikamentengruppe zu.
Die Übungsgruppe umfasste 16 Wochen lang dreimal pro Woche 30-minütiges Gehen oder Joggen auf einem Laufband. Die Medikamentengruppe erhielt Sertralin, das je nach Wirksamkeit und Nebenwirkungen angepasst wurde. Die Kombinationsgruppe erhielt beide Interventionen.
Die Ergebnisse zeigten, dass es nach 16 Wochen keine signifikanten Unterschiede in den depressiven Symptomen zwischen den Behandlungsgruppen gab. Es gab auch keinen signifikanten Unterschied in den Remissionsraten zwischen den Gruppen.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Bewegung genauso wirksam war wie Medikamente, um die Symptome einer Depression zu lindern und eine Remission herbeizuführen.
Darüber hinaus wies die Trainingsgruppe jedoch nach 10 Monaten eine deutlich geringere Rate an Depressionen auf als die Patienten in der Medikamenten- oder Kombinationsgruppe (70 % vs. 48 % vs. 54 %), was auf eine anhaltende antidepressive Wirkung der Trainingstherapie hinweist. Darüber hinaus war die anhaltende regelmäßige körperliche Betätigung nach 10 Monaten ein signifikanter Prädiktor für geringere Depressionsraten.
6. Wirkung von Sport auf soziale Funktion
Ein weiterer Aspekt von Bewegung und insbesondere Mannschaftssportarten betrifft psychosoziale Folgen bei Patienten mit Schizophrenie. Die Teilnahme kann für ein „normales“ Umfeld und Interaktionen mit anderen Menschen sorgen, die nicht mit der spezifischen Krankheit in Zusammenhang stehen. Darüber hinaus kann es ein Gefühl von Sinn und Leistung vermitteln. Zu den weiteren psychosozialen Vorteilen gehört eine Steigerung von Team- Building- Kompetenzen und Verringerung der sozialen Isolation.
Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass körperliche Aktivität bei mangelndem Interesse, geringer Energie und sozialem Rückzug hilfreich sein kann. Experten fanden heraus, dass sich ihr Selbstwertgefühl, ihr soziales Interesse und ihr Verhalten verbessern, wenn Menschen mit Schizophrenie ein Trainingsprogramm durchführen.
Studien und Quellen:
(1) https://www.florence-nightingale-krankenhaus.de/de/unser-krank…c672914163daf8c
(2) Physical exercise for negative symptoms of schizophrenia: Systematic review of randomized controlled trials and meta-analysis. Michel Sabe, Stefan Kaiser, Othman Sentissi , 2020
(3) Effects of Exercise on Positive Symptoms, Negative Symptoms, and Depression in Patients with Schizophrenia: A Systematic Review and Meta-Analysis. Myoungsuk Kim, Yongmi Lee, 2023
(4) Exercise as a Treatment for Schizophrenia: A Review. Steven J. Girdler, Jamie E. Confino, and Mary E. Woesner, 2019
(5) Tai Chi for Schizophrenia: A Systematic Review. Wei Zheng, Qiang Li, Jingxia Lin, Yingqiang Xiang , Tong Guo , Qiong Chen, Dongbin Cai , Yutao Xiang, 2016
(6) The effect of mind-body and aerobic exercise on negative symptoms in schizophrenia: A meta-analysis. Jelle Sjoerd Vogel, Mark van der Gaag, Christien Slofstra, Henderikus Knegtering, Jojanneke Bruins , Stynke Castelein, 2019
(7) Effects of Mind-Body Exercises on Schizophrenia: A Systematic Review With Meta-Analysis. Gao-Xia Wei , Lin Yang , Kellie Imm , Paul D Loprinzi , Lee Smith , Xiangyang Zhang , Qian Yu, 2020
(8) Comparative Effectiveness of Multiple Exercise Interventions in the Treatment of Mental Health Disorders: A Systematic Review and Network Meta-Analysis. Qian Yu, Ka-Kit Wong, On-Kei Lei, Jinlei Nie, Qingde Shi, Liye Zou, and Zhaowei Kong, 2022
(9) Schuch FB, Deslandes AC, Stubbs B, Gosmann NP, Silva CTB. da, Fleck M. P. de A. Neurobiological effects of exercise on major depressive disorder: A systematic review. Neuroscience and Biobehavioral Reviews. 2016