ANTIPSYCHOTIKA (2): Welche Symptome habe ich? Wie misst man psychotische Symptome und ihre Besserung?
Die Positive und Negative Symptomskala (PANSS ) zur Messung der Symptomschwere von Patienten mit Psychosen und Schizophrenie.
Die Positve und Negative Symptomskala ist ein wichtiger Test, der bei Menschen mit Psychosen und Schizophrenie häufig Anwendung findet und die Stärke der positiven, negativen und allgemeinen Symptome misst. Damit kann zugeordnet werden, welche Schwierigkeiten tatsächlich ein psychotisches oder schizophrenes Symptom sind. Er hilft dabei sich selbst und die Krankheit besser zu verstehen.
Aber nicht nur das. Er ist auch das wichtigste Werkzeug zum Wirksamkeitstest und Vergleich von Substanzen, ob Antipsychotika oder Mittel der alternativen Medizin, wie Heilpflanzen, Vitamine, Hormone, Psychobiotika usw. Die meisten klinischen Studien mit Patienten verwenden den Test um Besserungen eines Medikaments oder natürlicher Substanzen objektiv messbar zu machen.
Um einen Patienten mit PANSS zu beurteilen, wird ein etwa 45-minütiges klinisches Interview durchgeführt. Der Patient wird auf der Grundlage des Interviews sowie der Berichte von Familienmitgliedern oder Krankenhausmitarbeitern bei 30 verschiedenen Symptomen bewertet. Jedem Symptom wird eine von sieben Schweregradstufen zugeordnet (1 = nicht vorhanden, bis, 7 = extrem schwer), so dass sich ein PANSS-Gesamtwert zwischen 30 und 210 Punkten ergibt.
Positivsymptome (Items P1 bis P7) |
1. Wahnideen 2. formale Denkstörungen 3. Halluzinationen 4. Erregung 5. Größenideen 7. Misstrauen/Verfolgungsideen 8. Feindseligkeit |
Negativsymptome (Items N1 bis N7) |
1. Affektverflachung (wenig Gefühle, Teilnahmslosigkeit) 2. emotionaler Rückzug (wenig Gefühle zu anderen Menschen) 3. mangelnder affektiver Rapport (wenig vertrauensvolle Beziehungen, Einsamkeit) 4. soziale Passivität und Apathie (Teilnahmslosigkeit) 5. Schwierigkeiten beim abstrakten Denken 6. Mangel und Spontanität und Flüssigkeit der Sprache 7. stereotype eintönige Gedanken |
Allgemeine Symptome (Items G1 bis G16) |
1. Sorge um die Gesundheit 2. Angst 3. Schuldgefühle 4. Anspannung 5. Manierismen und unnatürliche Körperhaltung 6. Depression 7. motorische Verlangsamung, 8. unkooperatives Verhalten 9. ungewöhnliche Denkinhalte 10. Desorientiertheit 11. mangelnde Aufmerksamkeit 12. Mangel an Urteilsfähigkeit und Einsicht 13. Willensschwäche 14. mangelnde Impulskontrolle 15. Selbstbezogenheit 16. aktives soziales Vermeidungsverhalten |
Auf der Basis der Daten von über 4000 Patienten wurden Beziehungen zwischen PANSS-Werten , wie sie in klinischen Studien oft verwendet werden, und der weiter verbreiteten CGI-Skala für den Gesamtzustand eines Patienten (Clinical global impressions) ermittelt. (gerundet)
- Positive Skala = 25
- Negative Skala = 25
- Allgemeine Symptome = 50
D.h. ein durchschnittlicher Schizophrenie-Patient erreicht bei positiven und negativen Symptomen 25 von 50 Punkten und bei allgemeinen Symptomen 50 von 110. Gesamt hat er, beginnend von 30, also 100 von 210 Punkten. Je mehr Punkte ein Patient hat um so mehr und stärker ausgeprägte psychotische Symptome hat er.
Diese Tabelle zeigt die PANSS-Gesamtwerte in Bezug zum Krankheitsschweregrad laut CGI-Wert (gerundet)
CGI-S
|
PANSS-Gesamtwert |
3 (leicht krank) |
50–60 |
4 (mäßig krank) |
70–80 |
5 (deutlich krank) |
90–100 |
6 (schwer krank) |
110–120 |
7 (extrem schwer krank) |
140–150 |
Eine minimale Verbesserung auf der Skala für den klinischen Gesamteindruck (Clinical Global Impression) entspricht 20 Punkten auf der PANSS-Skala. Werte gerundet. Deutlich wird hier auch, dass eine Besserung des PANSS-Gesamtwerts um 20% lediglich eine leichte Besserung widerspiegelt. Für therapieresistente Patienten kann das schon klinisch relevant sein, bei akut erkrankten Patienten sollte man aber, eher eine 50%ige Besserung fordern, um eine Arzneistoffwirkung als klinisch relevant zu beurteilen.
Mit diesem einfachen und verständlich Test können jetzt alle Medikamente, Heilpflanzen, Therapien und Heilmethoden miteinander verglichen werden. Damit kann man dann auch so spannende Fragen beantworten, wie stark helfen mir eigentlich Antipsychotika im Vergleich zu einem Scheinmedikament oder zu antipsychotischen Heilpflanzen ? Wie würde es mir jetzt eigentlich ohne Medikamente gehen?
Ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Ihr kommt mit einem psychotischen Schub in ein Krankenhaus. Die Ärzte machen einen PANSS -Test mit Euch. Ihr bekommt die durchschnittlichen 100 Symptompunkte bei dem Test. In Bezug zum Krankheitsschweregrad laut CGI-Wert bedeutet das "deutlich krank"
Jetzt gibt es Antipsychotika. 15 Punkte sind die minimalen spürbaren Verbesserungen. Was meint Ihr um wie viel Punkte oder % geht es Euch nach 6 Wochen durch AP gegenüber Plazebo besser?
Antipsychotika haben im Durchschnitt eine Besserung von 7,2 Punkten auf der PANSS-Skala, d.h. nur ca. 10% Besserung der Symptome in der Gesamtheit in 6 Wochen gegenüber Plazebo zur Folge. 1
Das ist der Durchschnittswert. Jeder reagiert jedoch anders auf AP. Die höchste Besserung von 20 Punkten oder 20% erreichen 17% der Patienten.2
In der CGI Skala für den Gesamteindruck bedeutet dies eine „leichte Besserung“
D.h. 83% werden mit AP behandelt mit oft schweren Nebenwirkungen und haben keine oder eine so geringe Besserung, die nicht nachweisbar und nicht klinisch relevant ist.
Da eine Psychose auch allein abklingt, ist das Gefühl, dass es eine stärkere Besserung in 6 Wochen gibt berechtigt, hat jedoch nichts mit Medikamenten zu tun. Eine weitere Fehldeutung der Wirkung von Anitipsychotika tritt ein, wenn versucht wird sie abzusetzen, da das Gehirn eine Abhängigkeit entwickelt hat. Dann ist die gefühlte Wirkung bei einem Entzug natürlich deutlich höher.
Zu der Frage, "Wie stark helfen Antipsychotika eigentlich wirklich? "folgt noch ein ausführlicher Artikel.
Quellen:
1 Khin Ni A et al (2012) Exploratory Analyses of Efficacy Data From Schizophrenia Trials in Support of New Drug Applications Submitted to US Food and Drug Administration, J Clin Psychiatry 73(6): 856‑864
2 Leucht, S. Arbter D, Engel RR, Kissling W, Davis JM (2009) How effective are second-generation antipsychotic drugs? Molecular Psychiatry 14: 429-47