Vorwort
Zwei Texte von mir von meiner ersten Psychose und den Tagen in der Klinik. Irgendwann schreib ich weiter und erzähl noch mehr davon, vielleicht gibts ja mal ein Buch draus
Erste Psychose, letzter Tag
Alles, alles wird gut. Mit fettem Filzstift an die Wand gemalt. Damit ich es ja nie vergesse. Der Papierkorb brennt. Meine Mitbewohner wachen vom Rauch auf. In der Küche hat es Petroleum. Damit ziehe ich eine Spur zu meinem Zimmer. Meine Kollegen versuchen mich zu beruhigen. Ich habe schon den Rucksack gepackt. Alles was man für eine lange Reise braucht. Auch zwei Flaschen Alkohol, denn der erdet mich. Bisschen Gras auch noch, denn das beflügelt mich. Alles was ich für die Reise zu Himmel und Hölle brauche. Diese Wohngemeinschaft; Die erste Bastion des Himmels. Die Mitbewohner; Engel, meine Engelskrieger, hier um mich zu leiten auf diesem Weg des Erwachens. Sie versuchen mich vom anzünden des Petroleum abzuhalten, ich schubse sie zur Seite. Das Feuer breitet sich hin Küche aus, und ich verlasse die Wohnung, mit schwerem Gepäck. Ich gehe wandern, in die Natur. Welt retten. Geleitet von der Realität selbst, von den Steinen, den Wolken, den Strassenschildern, Graffiti an den Wänden, der Werbung an Tafeln. Ermutigt von den Stimmen, die mich wissen lassen, ich bin Gott. Ich bin überfordert. Ich wollte gar nie Gott sein. Jetzt bin ich es aber doch. War es schon immer, aber jetzt fiel es mir wieder ein. Aufgewacht bin ich aus dem Menschentraum, hin zu der wirklichen Realität. Jetzt bin ich frei, jetzt bin ich unsterblich, jetzt bin ich glückselig auf ewig. Alle müssen das erleben, alle müssen wissen was ich jetzt weiss, jeder soll erwachen aus diesem Traum, jeder soll Gott realisieren. Der Weg dahin ist schwer, aber ich bin nicht allein. Ich war nie allein. Die ganze Realität selbst drängt dazu, alles leitet zu diesem Punkt hin, an dem alle die Wahrheit erkennen. Himmel auf Erden, das ist meine Mission.
Hockend auf einer Holzbank mitten im Wald mache ich Rast. Ein Sandwich habe ich mir eingepackt. Das Wetter ist gut, denn meine Stimmung ist gut. Ich spüre einen Windhauch, mein Handy piepst. Eine Nachricht von Sarine, meiner geliebten. Sie ist der Teufel, gefangen in der Hölle, und auch sie werde ich noch befreien. Die Stimme am Radio die immer von mir singt, das ist Sarine auch. Ich kenne sie noch nicht lange, und auch nicht gut, aber ich bin schrecklich in sie verliebt. Sie möchte sich mit mir treffen, möglichst gleich, am Universitätsspital. Stecken da meine Kollegen dahinter? Sind das wirklich meine Kollegen, oder werden sie gesteuert von mächtigen Wesen von hinter der Realität, die versuchen mich am aufwachen zu hindern? Die Gefängniswärter, die Aufpasser dieser simulierten Welt? Nein, denn meine besten Freunde sind, auch wenn sie sich verschworen haben mir nie zu verraten dass ich Gott bin, meine Engel, hier um mich zu beschützen, zu leiten, zu helfen. Ja selbst wenn sie mich in die Psychiatrie einweisen wollen, so wird das aus gutem Grund sein. Ich werde mich untersuchen lassen, und die Wissenschaft selbst, die Medizin, wird feststellen müssen das ich Gott bin. So werden wir zusammen, Religion und Wissenschaft vereint, die Welt verändern. Alle dazu zu bringen zu realisieren. Himmel auf Erden, meine Mission. Ich habe ein neues Ziel in diesem mystischen Abenteuer, also auf zum Spital!
Aufgeregt, erwartungsvoll, der Wind bläst stark. Meine Gedanken rasen in freudiger Erwartung. Die Wolken ziehen rasch über den Himmel, denn mit schnellem Gang schreite ich voran. Und tatsächlich wartet Sarine vor dem Spital, das ich Stunden später zu Fuss erreiche. Wir sprechen nicht viel, doch sie leitet mich zu der psychiatrischen Abteilung. Alles was ich sagen könnte, wäre eine Lüge, also spreche ich nicht. Die Psychiater fragen mich nach meinem Namen, doch wer bin ich, was bin ich?`Kennt Gott seinen eigenen Namen, hat er einen eigenen Namen. Wer könnte ihn schon benennen. Ich weiss es nicht, also schweige ich. Sie fragen mich nach dem aktuellen Datum, doch was ist Zeit, wann bin ich, seit wann bin ich, war ich nicht schon ewig hier, und werde auch ewig sein, was für eine Bedeutung hat da schon Zeit? All diese philosophischen Fragen an mich gerichtet, aber so muss das wohl sein. Ob ich weiss wo ich bin? Ich bin irgendwo im Cosmos, in diesem unendlichen All, oder vielleicht auch dahinter oder davor, ich kann es nicht sagen, ich kann nicht antworten. Lächelnd starre ich in die ferne, Sarine berührt mich zärtlich mitfühlend am Arm. Aber ich fühle nichts mehr von all der Liebe für diese Frau, dafür eine Dankbarkeit für die freundliche Gesellschaft in dieser verrückten zerfallenden Welt. Sarine ist ein guter Mensch, vielleicht auch einer meiner Engel. Nach längerem warten geht es mit dem Krankenwagen Richtung Klinik. Ich meditiere. Alles, alles wird gut.
Die Klinik
Niemand gesteht mir ein, dass ich unweigerlich Gott sein muss, doch alle wissen es. Bin wie Batman, nur ist meine geheime Identität Gott. Spiele hier nur Bruce Wayne, weil das halt so zum grossen Schauspiel dazu gehört, und alle spielen mit. Ich will kein Spielverderber sein.
Temesta, Abilify, dann auf das Zimmer. Mein Zimmergenosse, gross, muskulös, schwarz, Messiah. Er stellt sich als Jason vor, er sei Rapper. Wir werden gute Freunde. Auch er ist überzeugt Gott zu sein, kann aber nicht sein, bin ich ja schon. Das schreit nach Wettbewerb. Ein richtiger Messiah misst man an seinen guten Taten. Ich schenke ihm Zigaretten, er mir eine original Hip Hop Jacke aus Comptom, mit denen er nebenbei handelt. Kann ich so nicht auf mir sitzen lassen, ich schenke ihm ein Moped mit dem er später auf dem Klinikareal herum düsst. Er schenkt mir eine schön bestickte fette Hip Hop Hose, sie ist mir viel zu weit. Und schöne weisse Schuhe. Er lernt mich auch wie ich die Schuhe sauber und schön weiss halte. Einigen wir uns auf unentschieden. Klassenlager im Sommer. Das ist meine Assoziation mit diesem ersten Klinikaufenthalt. Nur halt mitten im Winter. Wir sitzen oft zusammen, rauchen Zigaretten im Raucherzimmer, hören Radio. Er erzählt mir wie er immer wieder von der Polizei gegängelt wird, nur weil er schwarz sei. Das und psychotisch denke ich mir. Ich höre ihm immer gut zu, auch als er von seiner Rap Karriere und leben in London erzählt. Wir vertreiben uns zusammen die Zeit, denn in der Klinik gibt es nicht viel zu tun.
Das Nachtessen wird immer nur kalt serviert. Das mag Jason gar nicht. Er erstellt eine Petition für heisses Nachtessen, lässt alle Mitpatienten unterschreiben. Bringt die Petition zur Küche, und tatsächlich, ab jetzt: heisses Nachtessen. Ich bin beeindruckt. Ein Tannenbaum im Raucherzimmer, bald ist Weihnacht. Am Kiosk kaufe ich zwei Zigarren, und wie jeden Abend, rauchen wir zusammen im Raucherzimmer, hören Radio, unterhalten uns.
Interessante Menschen sind hier versammelt. Ein schwer depressiver Pianist, der es fertig bringt in die Abstellkammer einzubrechen. Auch mein schwerer Rucksack ist da gelagert, und mein Rasierer, der auf diesem Weg abhanden kommt. Es ertönt ein Alarm, die Pfleger rennen auf das Zimmer, er überlebt seinen erneuten Suizidversuch. Später kaufe ich mir einen elektrischen Rasierapparat.
Die Kollegin von meinem neuen Lieblingsrapper Jason ist auch mit auf der Station. Sie ist eifersüchtig auf unsere Freundschaft. Immer zerreißt sie meine gemalten Bilder, und zerbricht mir die Farbstifte die ich selbst eingekauft habe. Einmal in der Nacht wache ich auf, und sie steht in unserem Zimmer mit einer Schere in der Hand. Als sie bemerkt wie ich aufwache flüchtet sie schnell. Vieleicht habe ich das ja auch nur geträumt. Später sagt sie mir sie hätte sich etwas in mich verguckt.
Eine mittelalte Türkin, die mich leert die Energien des Cosmos in den Getränkeautomaten zu channeln, um gratis ein Cola für sie zu bekommen ohne Geld einzuwerfen. Sie darf die Station noch nicht verlassen, und der Automat ist draussen auf em Klinikareal. Dieser Plan das Universum um ein gratis Cola zu bitten gefällt mir so sehr, ich bringe es nicht über das Herz ihr zu erzählen dass dies nicht funktioniert hat, und spendiere ihr ein Cola. Sie freut sich sehr, bedankt sich und fasst sich in den Schritt.
Eine junge Frau die nie etwas spricht, und immer ausserhalb des Raucherzimmers auf einem Stuhl sitzt. Ein alter Mann im Rollstuhl, aber ich mag ihn nicht. Ein Mitpatient der glaubt Pfleger zu sein, und uns immer ermahnt pünktlich schlafen zu gehen und nicht zu viel zu rauchen. Zwei jüngere Leute, die sich in der Klinik lieben gelernt haben, und nur zusammen auf dem Flur anzutreffen sind.
Alles noch echte Menschen.
Auch mit den Pflegern und Ärzten verstehe ich mich gut. Schon früh darf ich die geschlossene Station verlassen um auf dem Klinikareal einkaufen zu gehen. Meistens Zigaretten, für die ganze Abteilung. Die Zeit vergeht wie im Flug. Nun ist auch schon Silvester, und ich bin auf einer Neujahrsparty eingeladen. Die Ärzte meinen ich darf da hin, muss aber am nächsten Morgen wieder auf der Matte stehen.