Mein erster psychotischer Schub ist lange her. Es war im Jahre 2000, als ich mein Studium beendet habe. Ich nahm an einer Orientierungsveranstaltung für Studienabgänger beim Arbeitsamt teil. Kurz darauf stellten sich die ersten Symptome ein. Ich litt an Schlafstörungen, ständiges Grübeln ließ mich nicht schlafen. Die Gedanken kreisten immer um dasselbe Thema, dass ich mich von den anderen Teilnehmern beobachtet fühle, sie verfolgten mich in meinen Gedanken. Wie ein Sprung in einer Schallplatte aus Vinyl ging der Gedankenkreisel immer wieder von vorne los. So viele Gedanken, ein Gedankenoverkill, mit dem mein Hirn nicht fertigwerden konnte.
Ich hatte mich während der Orientierungsveranstaltung bei einem Unternehmen beworben. Das Unternehmen wollte mich auch tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Es war für mich klar, dass hinter dem Anruf nur die anderen Teilnehmer stecken konnten, die sich einen üblen Scherz mit mir erlaubten.
Um die Gedanken zu ordnen habe ich mir die Adressliste der Teilnehmer vorgenommen und in den Namen und Adressen geheime Botschaften gefunden, die meine Situation erklärten. Die Wahrheit stand ganz klar auf diesem Zettel. Ich fühlte mich wie in einem Labyrinth und den Ausgang konnte ich nur finden, wenn ich diese geheimen Botschaften entschlüsselte. So war es beispielsweise bei Strafe verboten, einen Arzt aufzusuchen, um dem Labyrinth zu entkommen.
Den Arzt haben dann meine Angehörigen für mich gerufen und mich in die psychiatrische Klinik einweisen lassen. Ich kam zuerst in die geschlossene Anstalt und wurde mit Tabletten ruhiggestellt. Eine Woche habe ich nur geschlafen. Weiß kaum noch was über die Anstalt zu berichten. Nur dass es früher die Landesfrauenklinik war, in der ich geboren wurde.
Ach ja, gefährliche Gegenstände wie seinen Gürtel musste man abgeben, damit man andere nicht verletzen konnte. Dabei sehe ich mich im psychotischen Zustand gar nicht als gefährlich an, im Gegenteil in der Psychose erlebe ich mich eher autoaggressiv. Ich würde eher mir was antun, als anderen Menschen.
Nach der Entlassung kam ich zum Psychiater, der mich mit Gesprächen und Medikamenten behandelte, die mit der Zeit langsam ausgeschlichen wurden. Nach dem einen Jahr Behandlung habe ich meine erste Arbeitsstelle angetreten und dort natürlich meine Krankheit verschwiegen.
8 Jahre lang hatte ich Ruhe vor der Krankheit, ohne Medikamente, ohne Therapie, Besuche beim Psychiater. Alles lief in ruhigen Bahnen. Meinen zweiten psychotischen Schub habe ich mir dann im Jahre 2008 geholt. Sinniger Weise weilte ich zu dieser Zeit aus beruflichen Gründen im Ausland. Aber ich habe glücklicher Weise den Schub selbst bemerkt. Ich war mir jetzt bewusst, dass es um etwas ging, was ich schon einmal hatte. Darum konnte ich mir rechtzeitig Hilfe holen.
Ich bin zurück nach Deutschland und dort wieder in eine psychiatrische Klinik gekommen. Mit Hilfe von Medikamenten und Gesprächen bin ich schnell genesen. Jedenfalls schneller als beim ersten Mal.
Bis heute, 2020, nehme ich Medikamente und gehe regelmäßig zum Arzt meines Vertrauens. Eine weitere Psychose hat sich bei mir bislang nicht wiedereingestellt. Auf der Arbeit, ich habe meinen Arbeitgeber gewechselt, ist bekannt, dass ich psychisch krank bin, die genaue Diagnose jedoch nicht, oder sie interessiert nicht.
Ich weiß nicht, ob ich eine „leichte“ Form erwischt habe, jedenfalls habe ich in keiner meiner Psychosen Stimmen gehört. Aber das Lied „Hör auf die Stimme“ von Mark Forster mag ich trotzdem nicht.