An manchen Tagen hätte ich grosse Lust, Geschirr zu zerdeppern und einen Stuhl ins Wohnzimmerfenster zu schmeissen, einmal den Mut aufzubringen, bewusst zerstörerisch zu sein.Ich stelle mir das als eine sehr lustvolle Aktion vor, erlösend und befreiend - und doch schaffe ich es nicht.Da ist diese ständig überprüfende Stimme - Gewissen? Moral? Erziehung? Schutzengel? - die mir fast gleichzeitig die Konsequenzen vor Augen führt.Und, seien wir ehrlich, wo liegt der Spass, wenn ich vorher schon weiss, dass ich die ganze Schweinerei selber wieder in Ordnung bringen muss?
Na ja, und schon drängt sich mir die nächste Frage auf:
Wo liegt überhaupt der Spass im Leben, der Sinn der ganzen Angelegenheit 'Leben als Mensch'?
Vier Jahre ist es her, seit mein Leben in die Luft geworfen wurde, und ich nun dauernd versuche, möglichst viel davon wieder aufzufangen; ein schier unmögliches Unterfangen.
Eine demolierte Zimmertüre, eine eingeschlagene Fensterscheibe, zerdeppertes Geschirr und zwei Schrottautos in 3 Jahren, ist das Fazit der Diagnose: Paranoide Schizophrenie.
Keiner wird behaupten können, das Leben wird damit einfacher, doch ist es lernbar, damit zu leben;
Kopf hoch, für alle Neulinge.
Nichts ist so arg, dass es keine Lösung gibt, denn: Probleme sind Lösungen in Arbeitskleidung.
Aller Anfang ist schwierig, doch heutzutage hilft das Internet wirklich immens viel. Breit gefächert finden sich die verschiedensten Ansichten, und das ist wichtig. Sich informieren, schlau machen. Mir hat es sehr geholfen, meinen Sohn besser zu verstehen, und hätte es Felix’s Seiten damals schon gegeben, wär es um einiges einfacher gewesen.
Der Start für eine wunderbare Karriere war sehr gut angelaufen, eigene Wohnung, seit Jahren eine feste Freundin und quasi von einem Tag auf den anderen ist alles weg, und mein Sohn wird als paranoid Schizophren diagnostiziert.
Nachdem die Therapie eines Burnouts, dann als Depressiver keinen Erfolg zeigte, die verordneten Medikamente nichts brachten, ausser, dass er noch ärger 'drauf' war, eskalierte es in einem psychotischen Schub; er zerdepperte einen Teekrug an der Wohnzimmerwand, schlug ein Fenster ein und, als ich in mein Schlafzimmer flüchtete, trat er die Türe ein und warf mit Kissen und Decken nach mir.
Da alle Versuche unsererseits (Vater und Mutter) keine Beruhigung brachten, eher im Gegenteil,und wir hatten ja keinen blassen Schimmer, was plötzlich mit unserem friedliebenden, eher stillen Sohn los ist, alarmierte ich den Notfall.
Der Arzt wollte nicht ohne Polizei zu ihm - und der Rest war schlichtweg grauenvoll.
Der Stationsarzt meinte, es sei wichtig, dass ich meinen Sohn so oft wie möglich besuche, wenn er danach verlangt. Also brachte ich ihm jeden Morgen seinen Hund, er ging mit ihm spazieren und ich hockte während dessen in der Cafeteria der Klinik, denn es war Winter, draussen eisige Kälte, und mein Sohn war noch sehr zurückhaltend (um es etwas nett zu formulieren).
Keinen Druck, kein Stress. Ohne weitere Erklärungen.
Was für meinen Sohn Druck ist, ist für mich das Salz des Lebens, habe ich lernen müssen, und Stress habe ich nie gekannt, da ich mich gut organisiere. Bei ihm reicht schon, wenn ich ihn bitte den Harass Mineral gleich rauf zu holen - das nur er trinkt - wir wohnen im 2. Stock, ist das schon zu viel. Ich dränge ihn damit, es sofort zu tun, und für ihn ist wichtig, dass er entscheiden kann, wann und ob er etwas tut. Ja, es ist nicht einfach, zumal ich so völlig anders 'gestrickt' bin, mit allem anders umgehe.
Heute haben wir Wege des friedfertigen Zusammenlebens gefunden; mal geht’s besser, mal schlechter. Und wenn ich in die Welt hinaus schaue, sehe ich immer wieder:
Es gibt viel Schlimmeres. Für mich eine Möglichkeit erneut die Ärmel hochzukrempeln, um auch die neuen Probleme Tag für Tag neu anzugehen. Mein Sohn fühlt sich, nach seinen Aussagen, wohl und ich habe gelernt zu akzeptieren.
Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, sein Leben zu leben, wie's Menschen gibt, und deshalb versuche ich ihm zu helfen, dass er es auf seine Art leben kann.
Denken ist schwer, darum Urteilen die Meisten. (Irgendwo gelesen)