Neu PSYCHOEDUKATION (5): 10 Dysfunktionen und Behandlungsziele bei Psychosen und Schizophrenie: Die Acethylcholin-Hypothese

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PSYCHOEDUKATION (5): 10 Dysfunktionen und Behandlungsziele bei Psychosen und Schizophrenie: Die Acethylcholin-Hypothese



acetylcholine-ach-molecular-structure-symbol-260nw-1930236422.jpg10 mögliche Dysfunktionen und Behandlungsziele sind:


1. Dopamin

2. Serotonin

3. Glutamat

4. GABA

5. Acethylcholin

6. Endocabonit

7. Signalwege

8. Oxidativer Stress

9. Entzündungen

10. Reaktion des Immunsystems


Einleitung:


Es wurde bisher gezeigt, dass eine 1. dopaminerge und 2. serotonerge Überfunktion, 3. eine Unterfunktion von Glutamat (NMDA-Rezeptoren) und 4. GABAerger Aktivität, und nun 5. ein vermindertes cholinerges Feuern, eine pathophysiologische Rolle bei Schizophrenie spielen.


Bisher wurde die Schizophrenie mit einem Ungleichgewicht in einem bestimmten Botenstoff im Gehirn, Dopamin, in Verbindung gebracht, was jedoch nicht alle Aspekte der Erkrankung erklären kann. 2006 hat eine internationale Forschergruppe eine neue Theorie zur Entstehung der Schizophrenie entwickelt. Die so genannte "Acetylcholin oder muskarinerge Hypothese der Schizophrenie"


Acetylcholin ist einer der Botenstoffe im Gehirn, der bei zahlreichen Funktionen, darunter Gedächtnis, Lernen, Aufmerksamkeit, Schlaf und Schmerz eine wesentliche Rolle spielt. Die Wirkung von Acetylcholin wird über zwei verschiedene Rezeptorsysteme (muskarinerge Acetylcholinrezeptoren und nikotinerge Acetylcholinrezeptoren) vermittelt.



Muskarinrezeptoren gibt es in allen Teilen des Körpers: im Herzen, im Darm, in den Drüsen und im Gehirn. Muskarin ist ein Pilzgift, das sie überaktiviert.


Nikotinrezeptoren haben ihren Namen erhalten, weil Nikotin sie aktiviert. Sie helfen dabei, Signale im Gehirn zu übertragen und die Skelettmuskulatur zu aktivieren.


Während bei der Kampf-oder-Flucht-Reaktion hauptsächlich Noradrenalin eingesetzt wird , um den Körper in einen Aktionszustand zu versetzen, ist es Acetylcholin, das diese Reaktion ausgleicht und reduziert. Bei der cholinergen Aktivität wird Acetylcholin verwendet, um den Körper auf „Ernährung und Fortpflanzung“ sowie „Ruhe und Verdauung“ vorzubereiten.


Acetylcholin ist Teil des sogenannten „parasympathischen Nervensystems“ und fördert alle Aktivitäten, die im Ruhezustand stattfinden sollten. Und mit Ruhe kommt auch ein höherer Bewusstseinszustand: selektive Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis.


1. Positive und kognitive Symptome:


Bei Patienten mit Schizophrenie fällt auf, dass viel weniger muskarinischen Rezeptoren als bei Gesunden vorhanden sind. Cholinerge Dysfunktion wurde mit kognitiven Schwierigkeiten bei Schizophrenie und anderen psychiatrischen Störungen in Verbindung gebracht. Es wird vermutet, dass ein zu geringer Acetylcholingehalt im Gehirn bei Menschen mit Schizophrenie zu schlechter Wahrnehmung und möglicherweise sogar zu Psychosen führt. Niedrige Acetylcholinspiegel im Gehirn spielen bei einer Reihe von Symptomen der Schizophrenie eine Rolle, darunter ein sensorisches Gating-Defizit ( Überfluss irrelevanter Information) und visuelle oder akustische Halluzinationen. Forscher bestätigten, dass eine Erhöhung des verfügbaren Acetylcholins im Gehirn zur Linderung dieser Symptome beitragen kann.


Das wird dadurch bestätigt, das anders herum Medikamente, die muskarinischen Rezeptoren blockieren wie Atropin und Scopolamin, psychotische Symptome auslösen können. Während die Gabe von Substanzen, die den Abbau von Acetylcholin verlangsamen, führen bei älteren Patienten mit Schizophrenie zu einer Besserung der kognitiven Fähigkeiten. So können Agonisten an muskarinischen Rezeptoren zur Behandlung einer Schizophrenie eingesetzt werden.



2. Negative Symptome und Depression:


Achtung ! Während Acetylcholin steigernde Wirkstoffe positive und kognitive Symptome vermindern, kann eine Niedergeschlagenheit, negative Symptome und Depression mit einer erhöhten cholinergen Empfindlichkeit verbunden sein. Acetylcholin erhöht normalerweise die Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen wodurch die fokussierte Aufmerksamkeit erhöht wird und so kognitive Symptome verbessert. Allerdings kann ein Anstieg der ACh-Signalübertragung zu Symptomen im Zusammenhang mit Angstzuständen und Depressionen führen. Medikamente, die Acetylcholin blockieren (wie Scopolamin), haben eine antidepressive Wirkung, während Medikamente, die Acetylcholin erhöhen, Depressionen verschlimmern können.



3. Behandlung:


3.1. Positive und kognitive Symptome:


Acetylcholin wird in cholinergen Neuronen aus Cholin hergestellt, das bei der Verbrennung von Zucker und Fetten entsteht. Cholin kann vom Körper nicht selbst hergestellt werden und muss daher über die Nahrung aufgenommen werden.


Nachdem es seine Wirkung entfaltet hat, wird Acetylcholin durch ein Enzym namens Acetylcholinesterase abgebaut. Wird viel Acetylcholin abgebaut, sinkt sein Spiegel zu stark und psychotische Symptome können im Krankheitsfall die Folge sein. Medikamente, die dieses Enzym blockieren, fördern die Wahrnehmung und werden bei der Alzheimer-Krankheit eingesetzt (wie Galantamin, ein Wirkstoff des kaukasischen Scheeglöckchens)


Cholinesterasehemmer (z.B. Galantamin) erhöhen die Konzentration von ACh durch Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase. Diese Hemmstoffe werden zur Verbesserung der kognitiven Funktion bei Demenz eingesetzt.


Galantamin ist nicht nur ein Cholinesterasehemmer, sondern auch ein Modulator an Nikotinrezeptoren. Dieser kombinierte Wirkmechanismus könnte bei Schizophrenie vorteilhafter sein, und erste Zusatzstudien mit Galantamin haben eine signifikante Verbesserung einiger Aspekte der kognitiven Funktion gezeigt.


Gleichzeitig wurde wieder andersherum festgestellt, dass Anticholinergika also Muskarin-Antagonisten sowohl bei gesunden Kontrollpersonen als auch bei Patienten mit Schizophrenie kognitive Störungen verursachen und zu einer Verschlechterung der positiven Symptome führen.



3.2. Negativen Symptome und Depression


Anticholinergika hingegen, die Acetylcholin senken, werden mit einer Verbesserung der negativen Symptome der Schizophrenie in Verbindung gebracht. Patienten mit Schizophrenie berichten von einer aktivierenden Wirkung von Anticholinergika, was gelegentlich zu einem Missbrauch dieser Medikamente führt, da sie eigentlich nur Linderung von Nebenwirkungen von Antipsychotika, wie Bewegungsstörungen eingesetzt werden sollen. Aufgrund dieser Effekte sowie möglicher Nebenwirkungen (z. B. Harnverhalt, Mundtrockenheit, Verstopfung) wird der Einsatz von Anticholinergika in letzter Zeit kritischer beurteilt.


Da der Muskarinrezeptor-Antagonist Scopolamin kürzlich mit starken antidepressiven Wirkungen in Verbindung gebracht wurde, muss das Wirkungsspektrum von Anticholinergika möglicherweise neu bewertet werden.



3.3 Nikotin und Acetylcholin


Nikotin dockt an dieselben Rezeptoren an wie Acetylcholin und ahmt dessen Reaktionen nach und aktiviert die gleichen Rezeptoren wie der Neurotransmitter. Forscher spekulieren, dass dies der Grund für den höheren Anteil des Rauchens bei Menschen mit Schizophrenie ist – 80 % der Personen, bei denen Schizophrenie diagnostiziert wurde, rauchen bis zu 30 Zigaretten pro Tag, was wahrscheinlich eine Methode der Selbstmedikation ist. Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass wesentliche Bereiche kognitiver Funktionen bei Patienten mit schizophrenen Erkrankungen durch Nikotin verbessert werden, insbesondere Daueraufmerksamkeit, gerichtete Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Wiedergabe aus dem Gedächtnis.


Die zugrunde liegenden Faktoren, die zu einer hohen Raucherquote bei Patienten mit Schizophrenie führen, sind unklar, es gibt jedoch mehrere Hypothesen. Eine davon ist eine selbstmedikamentöse Hypothese, die darauf hindeutet, dass Nikotin mit zentralen AChR interagiert und die Freisetzung von Dopamin und Serotonin verursacht, was zu einer stimulierenden Wirkung als Folge der dopaminergen Aktivität führt und den Wunsch des Einzelnen nach Rauchverhalten antreibt. Dies könnte als Gegengewicht zur Unterfunktion zentraler nAChRs dienen, die in der medizinischen Literatur bei schizophrenen Patienten gut dokumentiert ist.


Tatsächlich gibt es Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass Menschen mit Schizophrenie, die rauchen, möglicherweise weniger negative Symptome haben. Andere Studien zeigen jedoch keine Verbesserung.


Darüber hinaus deuten neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass Rauchen die Intensität der Nebenwirkungen, die durch antipsychotische Medikamente hervorgerufen werden, lindern kann, was ein Hinweis auf ein weiteres mögliches symptomatisches Motiv für das Rauchen bei Schizophrenie ist. Es wird angenommen, dass der zugrunde liegende Mechanismus darin besteht, dass Nikotin mit AChRs interagiert und dadurch den Dopaminspiegel über den dopaminergen Weg erhöht, was die Wirkung von Dopaminrezeptor-blockierenden Antipsychotika dämpft und folglich Nebenwirkungen und deren Symptome lindert.


Schwerere symptomatische Grundbedingungen oder Folgen des Nikotinkonsums


Raucher mit Schizophrenie haben mit größerer Wahrscheinlichkeit intensivere positive Symptome und eine geringere kognitive Funktion, aber eine geringere Intensität der Nebenwirkungen als nicht rauchende Patienten mit Schizophrenie. Im Vergleich zu Nichtrauchern zeigten sie auch häufiger aggressives Verhalten, was auf ein höheres Maß an Grundaggression hindeuten könnte. Eine systematische Überprüfung aus dem Jahr 2013 kam zu dem Schluss, dass Rauchen letztendlich jedoch mit einer erhöhten Schwere der psychiatrischen Symptome bei Schizophrenie verbunden ist, was in direktem Widerspruch zur Selbstmedikationshypothese steht. Es wurde gezeigt, dass Teilnehmer, die mehr als 10 Zigaretten pro Tag rauchten, ein 2,5-mal höheres Risiko hatten, an Schizophrenie zu erkranken.


4. Erhöhung des Acetylcholinspiegels zur Besserung positiver und kognitiver Symptome:


4.1 Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel


Untersuchungen zeigen, dass die folgende Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel entweder die Produktion von Acetylcholin im Körper steigern oder dessen Rückresorption blockieren, sodass es länger in Ihrem System verbleibt:


Koffein

steigert die cholinerge Aktivität in Ihrem Gehirn und steigert den Gesamtspiegel an verfügbarem Acetylcholin. Untersuchungen zeigen, dass eine Dosis von 3 bis 30 mg/kg wirksam ist, um den Acetylcholinspiegel deutlich zu erhöhen.


Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Geflügel, Fisch, Milchprodukte und Eier sind allesamt Cholinquellen.


Wer sich pflanzlich ernährt, kann dennoch ausreichend Cholin aus Kreuzblütlern, Sojabohnen, Nüssen, Samen und Vollkornprodukten aufnehmen.


Omega 3

Omega 3 erhöht den Acetylcholinspiegel im Gehirn und im Verdauungssystem.


Mineralien

Zink

Kupfer


Cholinpräparate

sind online und überall dort erhältlich, wo Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Im Allgemeinen empfehlen Ärzte bis zu 400 mg für Frauen und 500 mg für Männer.


Pflanzliche Wirkstoffe und Heilpflanzen:


Curcumin. Es wird angenommen, dass Curcuminoide starke Inhibitoren der Acetylcholinesterase sind. Curcumin steigerte die Aktivität von Acetylcholin


Quercetin. Quercetin erhöhte Acetylcholin, das Gedächtnis zu verbessern und Angstzustände zu reduzieren. Aber wie Curcumin und viele Flavonoide weist auch Quercetin Probleme mit der Bioverfügbarkeit auf.


Traubenkernextrakt (OPC)


Rosmarin. Wissenschaftler untersuchen, ob Rosmarinextrakt ein antidepressives Potenzial hat, indem er die cholinerge Aktivität in Gehirnzellen steigert.


Indisches Basilikum (Tulsi). Tulsi blockierte die Acetylcholinesterase und verbesserte die kognitiven Fähigkeiten.


Tigergrass (Gotu Kola): Gotu Kola erhöhte den Acetylcholinspiegel und verringerte die Acetylcholinesterase und verbesserte das Lernen und das Gedächtnis


Safran: Safran blockierte den Acetylcholinabbau. Crocetin, ein Carotinoid in Safran, erhöhte die Entspannung der cholinergen Blutgefäße


Oregano: Carvacrol , eine bioaktive Verbindung in wildem Oregano , blockierte den Acetylcholinabbau


Rosenwurz: Forscher untersuchen, ob Rhodiola- Extrakte den Acetylcholinspiegel. Rhodiola verbesserte das Lernen und das Gedächtnis mit kognitivem Rückgang


Weitere Heilpflanzen die den Acetylcholinspiegel erhöhen sind Ginkgo, Brahmi, Ginseng und Ashwagandha



5. Aktivitäten zum Ausgleich des Acetylcholinspiegels und Besserung psychotischer Symptome:


Yoga

Studien deuten darauf hin, dass Yoga die Aktivität des Vagusnervs , des Acetylcholins und des Parasympathikus im Allgemeinen steigert. Eine 12-wöchige Yoga-Intervention war mit einer stärkeren Verbesserung der Stimmung und Angst verbunden als eine Kontrollgruppe, die Gehübungen machte. Die Studie ergab erhöhte GABA-Spiegel im Thalamus, die mit einer verbesserten Stimmung und einer Verringerung der Angst verbunden sind.


Meditation

Verschiedene Arten der Meditation können das Ruhe- und Verdauungssystem stärken, Acetylcholin und die Wahrnehmung steigern. Meditation der liebevollen Güte erhöht den Vagustonus. Außerdem stimuliert das Om-Gesang den Vagusnerv, was möglicherweise den Acetylcholinspiegel steigert.


Atemübungen

Tiefes und langsames Atmen stimuliert wahrscheinlich den Vagusnerv und die Acetylcholinaktivität. Spezialisierte Neuronen im Herzen und Hals können Ihren Blutdruck erkennen und das Signal an Ihr Gehirn weiterleiten, das anschließend Ihren Vagusnerv aktiviert, der mit Ihrem Herzen verbunden ist, um den Blutdruck und die Herzfrequenz durch die Freisetzung von Acetylcholin zu senken. Das Ergebnis ist eine geringere Kampf-oder-Flucht-Aktivierung (Sympathikus) und mehr Ruhe und Verdauung (Parasympathikus). Wissenschaftler glauben, je empfindlicher diese Rezeptoren sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie feuern und Ihrem Gehirn mitteilen, dass der Blutdruck zu hoch ist und es an der Zeit ist, die cholinerge Aktivität zu aktivieren, um ihn zu senken.


Langsames Atmen erhöht die Empfindlichkeit der Barorezeptoren und die Vagusaktivierung, was den Blutdruck senkt, Acetylcholin steigert und Ängste durch die Stärkung Ihres parasympathischen Systems verringert.



Fazit

Die Acethycholin oder muskarinerge Hypothese trägt zu einem besseren Verständnis der neurobiologischen Grundlagen der Schizophrenie bei. Cholinerge Gaben können Schaltkreise, die an der Vermittlung positiver, negativer und kognitiver Symptome der Schizophrenie beteiligt sind, robust modulieren. Mehrere wichtige Meilensteine wurden kürzlich erreicht, da Verbindungen, die auf diese Rezeptoren abzielen, in die Anwendung gelangen und das Potenzial haben, dringend benötigte Therapiestrategien bereitzustellen, die eine umfassendere Linderung der Schizophreniesymptome bewirken können. Das Verständnis dieser Wirkungsweise kann genutzt werden, um neue (pflanzliche) Wirkstoffe zur Behandlung der Schizophrenie gezielt einzusetzen.


Zusammengefasst kann gesagt werden, das eine Erhöhung von Acethycholin positive und kognitive Symptome verbessern kann. Jedoch ggf. negative Symptome und Depression verschlechtern.


Wer unsicher ist, sollte vorsichtig testen was zu einer Verbesserung seiner Symptome beiträgt und im Zweifel ein Gespräch mit dem Arzt führen, bevor mit der Einnahme von Ergänzungsmitteln begonnen wird – diese können die Wirkung anderer Medikamente, beeinträchtigen oder gewisse Symptome verschlimmern, je nachdem ob Acetylcholin erhöht oder gesenkt wird.