Zugelassene Indikation:
Latuda® ist zugelassen zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen ab 18Jahren.
Bewertung
Latuda® (Lurasidon) war in den drei für das Zulassungsverfahren akzeptiertenklinischen Studien einer Placebobehandlung in der Reduzierung vonSchizophrenie-Symptomen (PANSS-Gesamtwerte) nach sechs Wochenüberlegen. Die Ergebnisse waren jedoch für einzelne Dosierungsstärkenuneinheitlich, so dass eine konsistente Dosis-Wirkungs-Beziehung fehlt.In zwei der drei Zulassungsstudien wurde auch eine aktive Kontrolle(Quetiapin XR, Olanzapin) geprüft. Ein statistischer Vergleich mit Lurasidonwar nicht vorgesehen. Numerisch war die Wirkung von Lurasidon auf denprimären Endpunkt geringer als die der Vergleichstherapien.Das Spektrum der Nebenwirkungen erscheint zum jetzigen Zeitpunkt in etwamit dem anderer Antipsychotika vergleichbar.Es wäre daher möglich, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Lurasidongegenüber dem anderer Antipsychotika unterlegen ist.
Pharmakologie und klinische Studien
Lurasidon ist ein hochaffiner Antagonist an Dopamin-D2- und Serotonin-5-HT2ARezeptoren.Hierin ist es vielen neueren Antipsychotika ähnlich. Eine Besonderheitsind der Antagonismus an 5-HT7-Rezeptoren und der Partialagonismus an 5-HT1ARezeptoren.Lurasidon bindet zudem an α2C-Adrenozeptoren, mit mäßiger Affinitätauch an α1- und α2A-Adrenozeptoren. Die Wirkung auf 5-HT2C-Rezeptoren,Histamin-H1-Rezeptoren und muskarinische Acetylcholinrezeptoren ist zuvernachlässigen.
Zur Zulassung wurden fünf doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien(RCT) vorgelegt, von denen das CHMP drei als pivotale Studien akzeptierte undzweien aufgrund von hohen Abbruchraten und kleinen Populationen nur einenniedrigen Stellenwert einräumte.
In den akzeptierten Studien D1050229, D1050231 und D1050233 wurden je 489(ITT-Population), 473 und 482 Patienten eingeschlossen, bei denen seitmindestens einem Jahr eine Schizophrenie vorlag; sie mussten in den zweiMonaten vor Rekrutierung eine akute psychotische Exazerbation erlitten habenund mindestens 80 Punkte in der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)aufweisen. Primärer Endpunkt war jeweils die Veränderung in der PANSSgegenüber Baseline nach sechs Wochen. Die nachfolgend angegebenen Wertestellen die Differenz zu den Veränderungen unter Placebo dar.
In Studie D1050229 wurden Lurasidon 40 mg, 80 mg und 120 mg 1 x täglichgegen Placebo getestet. Nur im 80-mg-Behandlungsarm zeigte sich signifikanteÜberlegenheit von Lurasidon (–6,4 Punkte; 95 % Konfidenzintervall [CI] –11,3 bis–1,5; p = 0,011). Weder die 40 mg (–2,1 Punkte; 95 % CI –7,0 bis +2,8; p = 0,394)noch die 120 mg Dosierung (–3,5 Punkte; 95 % CI –8,4 bis +1,4; p = 0,163) warder Scheinbehandlung in der Reduzierung der PANSS-Werte überlegen.
In Studie D1050231 wurden ebenfalls Lurasidon 40 mg, 120 mg und Olanzapin 15mg 1 x täglich gegen Placebo getestet. Der Olanzapin-Arm diente nur der Frageder Assay-Sensitivität, ein Vergleich mit Lurasidon (z. B. Testung der Nichtunterlegenheit)war nicht vorgesehen. Sowohl Lurasidon 40 mg (–9,7 Punkte; 95% CI –15,3 bis –4,1; p < 0,001) als auch 120 mg (–7,5 Punkte; 95 % CI –13,4 bis –1,7; p = 0,011) waren signifikant besser wirksam als Placebo. Der numerischgrößte Rückgang der PANSS-Werte zeigte sich jedoch im Olanzapin-Arm (–12,6Punkte; 95 % CI –18,2 bis –7,1; p < 0,001).
in Studie D1050233 wurden Lurasidon 80 mg, 120 mg sowie Quetiapin XR 600mg 1 x täglich gegen Placebo getestet. Auch in dieser Studie diente der QuetiapinArmnur der Frage der Assay-Sensitivität. Sowohl Lurasidon 80 mg (–11,9 Punkte;95 % CI –16,9 bis –6,9; p < 0,001) als auch 120 mg (–16,2 Punkte; 95 % CI –21,2bis –11,2; p < 0,001) waren signifikant besser wirksam als Placebo. Auch in dieserStudie war der numerisch größte Rückgang der PANSS-Werte im Quetiapin-Armzu beobachten (–17,5 Punkte, 95 % CI –22,2 bis –12,4; p < 0,001).
Somit waren die Ergebnisse hinsichtlich des primären Endpunkts für die einzelnenDosierungen uneinheitlich, es zeigte sich keine konsistente Dosis-Wirkungs-Beziehung.Die Veränderung im CGI und unterschiedliche Auswertungen desPANNS waren unter den sekundären Endpunkten. Als „tertiäre/weitere Endpunkte“wurden mehrere unterschiedlich definierte Ansprechraten berichtet. Aus Sicht desCHMP stellt ein Rückgang im PANSS-Summenscore von mindestens 30 % eineklinisch relevante Veränderung dar. Eine entsprechende Analyse, in der Studienabbrecherals Nonresponder gewertet wurden, zeigte, dass Patienten unterOlanzapin, Quetiapin und Lurasidon 160 mg signifikant häufiger Verbesserungenvon ≥ 30 % erreichten als unter Placebo. Unter der 40-mg- und der 80-mgDosierungwaren die Ansprechraten nur in jeweils einer von zwei Studien besserals unter Placebo, während sich unter 120 mg Lurasidon in keiner der Studien einsignifikanter Effekt zeigte.
In zwei Studien zur Langzeitsicherheit und Wirksamkeit von Lurasidon 40 bis 160bzw. 120 mg/d wurde Nichtunterlegenheit gegenüber Quetiapin XR 200 bis 800mg/d (Studie D1050234), aber geringere Wirksamkeit im Vergleich mit Risperidon2 bis 6 mg/d (Studie D1050237) in der Reduzierung der Rückfallwahrscheinlichkeitüber einen Zeitraum von zwölf Monaten gezeigt.Die Effekte von Lurasidon auf die Blutfette und den Blutzucker waren eher geringund die Gewichtszunahme moderat. Damit scheint Lurasidon weniger metabolischeNebenwirkungen als etwa Olanzapin und Quetiapin aufzuweisen; diesbedarf jedoch weiterer Bestätigung durch vergleichende klinische Langzeitstudien.Das übrige Spektrum der Nebenwirkungen war insgesamt mit dem andererneuerer Antipsychotika vergleichbar. Übelkeit und Erbrechen trat jedoch häufigerauf, die extrapyramidale Störung Akathisie zählte mit 12,9 % zu den häufigstenNebenwirkungen. Zudem gilt es das Risiko von Interaktionen mit starken CYP-3A4-Hemmern und -Induktoren zu berücksichtigen (Kontraindikationen).
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Sehr häufig (≥ 1/10): Akathisie, Somnolenz.
Das Nebenwirkungsspektrum ähnelt dem vieler neuerer Antipsychotika. Für eineAuflistung der Nebenwirkungen und ihrer Häufigkeit siehe Fachinformation.
Interaktionen, Kontraindikationen, WarnhinweiseInteraktionen:
Lurasidon und sein aktiver Metabolit werden hauptsächlich über CYP3A4metabolisiert. Die gleichzeitige Anwendung
• mit mäßigen CYP3A4-Inhibitoren (z. B. Diltiazem, Erythromycin u. a.) kann dieExposition gegenüber Lurasidon wahrscheinlich um das 2–5-Fache erhöhen
• mit dem CYP3A4-Hemmer Grapefruitsaft sollte vermieden werden
• mit geringen oder mäßigen CYP3A4-Induktoren (z. B. Prednison oder Modafinilu. a.) führt bis zu zwei Wochen nach deren Beendigung zu einer < 2-fachenVerringerung der Exposition von Lurasidon. Die Wirkung von Lurasidon sollte indiesen Fällen überwacht werden. Eine Dosisanpassung kann notwendig werden.
• mit Midazolam, einem CYP3A4-Substrat, führte zu einer < 1,5-fach erhöhtenExposition von Midazolam
• mit CYP3A4-Substraten die eine enge therapeutische Breite besitzen (z. B.Terfenadin, Ergotamin u. a.) wird eine Überwachung empfohlen.
Kontraindikation:
• Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
• Gleichzeitige Anwendung von starken CYP3A4-Inhibitoren (z. B. Boceprevir,Clarithromycin etc.) und starken CYP3A4-Induktoren (z. B. Carbamazepin,Phenobarbital u. a.).Warnhinweise:
• Vorsicht bei Patienten mit bekannter Herz-Kreislauf-Erkrankung; bei QT-ZeitVerlängerungin der Familienanamnese; bei Hypokaliämie; in Kombination mitArzneimitteln, die die QT-Zeit verlängern; bei Krampfanfällen oder herabgesetzterAnfallsschwelle; bei älteren Patienten mit Demenz und Risikofaktorenfür einen Schlaganfall.
• Folgende klinische Überwachung wird empfohlen/sollte stattfinden: der Suizidalitätbei Patienten mit hohem Risiko für Suizidalität; des Blutzuckers beiDiabetikern oder Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren; der Vitalparameterbei Patienten mit Risiko für eine orthostatische Hypotonie; des Gewichts.
• Folgende Risiken sollten berücksichtigt werden: die Verschlechterung der Krankheitssymptome bei Patienten mit Morbus Parkinson, Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie.
Lurasidon (Latuda) – vom deutschen Markt genommen
Veröffentlicht am 13.01.2016
Wir hatten am 27.03.2014 in den Kompendium-News über die Zulassung von Lurasidon zur Schizophrenie-Behandlung in der EU berichtet (s. auch Kompendium, 10.A., S. 406-408). Seit November 2014 stand Lurasidon (Handelsname Latuda) auch in Deutschland zur Behandlung von Erwachsenen mit Schizophrenie zur Verfügung.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat in einer Dossierbewertung überprüft, ob Lurasidon gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie (Amisulprid, Aripiprazol, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon; Vergleich v.a. mit Risperidon) einen Zusatznutzen bei der Aktubehandlung und der Rückfallprophylaxe bietet. Mittlerweile hat auch die entsprechend des AMNOG-Verfahrens in Deutschland für Neuzulassungen vorgesehene Zusatznutzenprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) stattgefunden und keinen Zusatznutzen gegenüber den zweckmäßigen Vergleichstherapien ei der Akutbehandlung und der Rückfallprophylaxe festgestellt (Beschluss vom 16.04.2015).
Für die Bewertung der Akutbehandlung (Vergleiche mit Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin XR) waren laut G-BA die vorgelegten Studien nicht hinreichend aussagekräftig, bei der Rückfallprophylaxe wurde das Studienziel (Nichtunterlegenheit gegenüber Risperidon) nicht erreicht. Der Hersteller (Takeda) nahm das Präparat am 01.03.2015 vom deutschen Markt. Im ärztlich begründeten Einzelfall können Patienten auch von der GKV die Kostenerstattung nach Antrag für Lurasidon ggf. erhalten, das Präparat ist als EU-Import (z.B. Dänemark) offensichtlich weiterhin erhältlich.
Literatur
https://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/147/